Initiative Artenvielfalt Neckartal

Schutz der Grauammer im Landkreis Tübingen



Foto 1: Grauammer: Jungvogel (© Heiner Götz)

Landkreis Tübingen - Modellregion für den Grauammer-Schutz

Einst eine Charakterart des landwirtschaftlich genutzten Offenlandes, steht der Brutbestand der Grauammer in Baden-Württemberg kurz vor dem Erlöschen. Die verbliebenen Vorkommen sind räumlich stark zergliedert. Im Landkreis Tübingen hält sich im Neckartal nahe Wurmlingen sowie am benachbarten Heuberg mit etwa 20 Revieren einer der landesweit größten Bestände.

Seit 2014 setzen das Landratsamt Tübingen, der Landschaftserhaltungsverband VIELFALT e.V., die Stadt Rottenburg sowie die Initiative Artenvielfalt Neckartal (IAN) Schutzmaßnahmen für die Grauammer um, seit 2020 auch das Regierungspräsidium Tübingen im Rahmen des Artenschutzprogramms. Entscheidend für einen Erfolg der Maßnahmen ist die Kooperation mit vielen Landwirten und Bewirtschaftern, die ihre Flächen für vorausschauenden Vertragsnaturschutz sowie den kurzfristigen Schutz einzelner Nester bereitstellen. Seit 2017 werden diese kooperativen Maßnahmen begleitet durch wissenschaftliche Untersuchungen im "Modellprojekt artenreicher Agrarlandschaften am Beispiel der Grauammer" (MAGer) der Universität Tübingen. Das landesweit angelegte und bis 2021 von der Stiftung Naturschutzfonds geförderte Forschungsvorhaben bewertet die getroffenen Schutzmaßnahmen (etwa mehrjährige Ansaat?Brachen im Ackerland, Mahdruhe im Grünland, oder rotierende Gehölzpflege) und entwickelt diese fort (Details unter https://stiftung-naturschutz.landbw.de/modellregionen-artenreicher-agrarlandschaften).

Die eingeleiteten Maßnahmen haben - entgegen dem überregionalen Trend - zunächst eine Stabilisierung des Brutbestandes auf niedrigem Niveau, seit 2018 sogar eine leichte Erholung bewirkt. Bislang hängt dieser Erfolg stark an der zeitaufwändigen Sicherung einzelner Neststandorte. Wir sehen die Erfolge als Ansporn, künftig vereinfachte Förderansätze zu entwickeln, die dennoch einen hinreichenden Bruterfolg für den Erhalt der lokalen Brutpopulation sichern können.


Grauammer - Ökologie und Gefährdung

Die Grauammer ist eine Charakterart der weithin offenen, lediglich durch einzelne Gehölze oder Niederhecken strukturierten Agrarlandschaft. Die Nester werden primär am Boden von bewirtschafteten Getreidefeldern und Mähwiesen angelegt, gelegentlich auch in Brachen oder in nicht bewirtschafteten Randstrukturen. Die Brutperiode liegt vergleichsweise spät, zwischen Mai und Juli. Dies führt vielfach zu Brutverlusten während der regulären Mahd im Grünland sowie der Ernte von Grünfutter und Energiepflanzen, kollidiert aber auch zunehmend mit der immer früheren Getreide-Ernte.

Der Brutbestand in Baden-Württemberg ist seit den 1990er Jahren um gut 80 % zurückgegangen und liegt aktuell nur noch in der Größenordnung 100-120 Reviere. Die Vogelart gilt landesweit als "vom Aussterben bedroht", und ist im Zielartenkonzept Baden-Württemberg als "Landesart Gruppe A" mit landesweit höchster Schutz- und Maßnahmenpriorität eingestuft.




Foto 2: Strukturell vielfältige Ackerlandschaft als Lebensraum der Grauammer am Heuberg. (© Nils Anthes)

Bestandsentwicklung und Monitoring

Im Landkreis Tübingen war die Grauammer noch zur Mitte des 20. Jahrhunderts ein weit verbreiteter Brutvogel der Offenlandgebiete, mit gut 150 Revieren Mitte der 1980er Jahre (KRATZER 1991). Bis 2005 sank der Bestand auf nur noch 21 Reviere (Daten R. KRATZER), die sich bereits damals auf das Neckartal sowie den Bereich Heuberg - seither die beiden letzten Vorkommen im Landkreis - konzentrierten. Zum Start der Fördermaßnahmen 2014 betrug der Bestand noch 20 Reviere, mit seither leicht schwankenden bzw. zuletzt leicht steigenden Revierzahlen.

Die Grafik zeigt die Bestandsentwicklung der Grauammer im Landkreis Tübingen 2014-2020. Datengrundlage sind die Erhebungen für das "Sofortpaket Grauammer" am Landratsamt bzw. Regierungspräsidium Tübingen sowie das Forschungsprojekt "MAGer" an der Universität Tübingen. Die Revierzahlen werden mit Unterstützung der IAN alljährlich im April und Mai erfasst, zudem erfolgen gezielte Kontrollen des Bruterfolgs im Juni und Juli.




Foto 3: Detaillierte Erhebungen im April bis Juni sind Grundlage für das jährliche Monitoring und die Erfolgskontrolle für eingeleitete Maßnahmen. Foto 4: Futter tragende Altvögel liefern direkte Hinweise auf erfolgreiche Bruten. Wenn bereits große Insekten wie dieses Grüne Heupferd gefüttert werden, haben die Jungvögel das Nest i.d.R. bereits verlassen.

Maßnahmen zum Schutz der Grauammer

Die Wirkung einzelner Fördermaßnahmen für die Grauammer wird im Rahmen des landesweiten Forschungsprojekts "MAGer" an der Uni Tübingen zwischen 2017 und 2021 großräumig beleuchtet. Als wesentliche Bestandteile einer erfolgversprechenden Maßnahmenkonzeption haben sich vorläufig unter anderem folgende Ansätze herauskristallisiert:

  • Anlage mehrjähriger, ggf. in Rotation gemähter bzw. neu eingesäter Ackerbrachen Ackerbrachen. -> schafft attraktive Revierzentren, selten auch Neststandorte.
  • Gehölzpflege: abschnittsweise Auf-den-Stock-setzen. -> schafft attraktive Revierzentren, reduziert den Räuberdruck.
  • Verschiebung der Mahd bzw. Ernte auf Flächen mit bekannten Neststandorten. -> essenziell zur Sicherung des Bruterfolgs, erfordert aber aufwändige Nestersuche.
  • Mahdruhe: Keine Wiesenmahd bzw. Ernte von Grünfutter und Leguminosen zwischen Anfang Mai und Anfang/Mitte Juli. -> Innerhalb der Kernvorkommen entscheidend für die Sicherung des Bruterfolgs ohne gezielte Nestersuche. Diese Kulturen wirken ansonsten als Populations-Senken.
  • Jährliches Monitoring




Foto 5: Mit ihrem Alter von 10 Tagen stehen diese jungen Grauammern unmittelbar vor dem Verlassen des in einer Mähwiese angelegten Nests. (© Nils Anthes) - Foto 6: Erst mehrere Jahre nach der Einsaat entwickeln Blühbrachen eine Struktur, die von Grauammern nicht nur als Singwarte, sondern auch als sicherer Neststandort angenommen wird. (© Nils Anthes)

Partner im Grauammerschutz

  • Die Landwirte im Vertragsnaturschutz
  • Landratsamt Tübingen (Untere Naturschutz- und Landwirtschaftsbehörde)
  • Landschaftserhaltungsverband Vielfalt e.V.
  • Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg
  • Regierungspräsidium Tübingen
  • Universität Tübingen

Ausgangssituation


Revierzentren Grauammer 1993 und 2013 zw. Rottenburg und Hirschau; verändert aus
TRAUTNER (2020): Artenschutz, ULMER Verlag

Weitere Infos

 
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